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'The Luxury Gap' reviewed by Thomas Bork (Scritti April 1983)

Wohl an keine Platte waren die Erwartungen in letzter Zeit so hoch gesteckt wie bei 'The Luxury Gap', dem zweiten LP-Opus einer Gruppe, die mit ihrem Erstling 'Penthouse and Pavement' eine neue Seite des New Wave Pops aufschlug. Elektronik-Funk, die neue Mode, der neue Trend war geboren. Musik, die frisch/originell politisch war und die gleichzeitig lustvoll Einblick bot hinter die Kulissen des Jet-Set der oberen Zehntausend und eine Humoreske schuf auf den aufblühenden Neo-Jungkapitalismus; spritzig wie Champagner, explosiv, rasend, atemberaubend, stilvoll.

Heaven 17 sind Stars geworden. Egal, wie sie sich äußerten, ob nun als Produzent diverser Gruppen und Projekte oder als kreative Köpfe der B.E.F., ihre Produkte wurde euphorisch empfangen. Die wenigen Zweifler, die es gab, glaubten erkannt zu haben, daß dies alles nur billige Ablenkungsmanöver waren, die darüber hinwegtäuschen sollten, daß es soweit mit der Wichtigkeit von Heaven 17 nicht sein könnte.

Mit 'The Luxury Gap' stellen sie sich. Die Ausgangssituation war schwierig, ihr langes Schweigen haben Gruppen wie Depeche Mode oder Yazoo genutzt, um ebenso berühmt zu werden, Entwicklungen in diesem Bereich voranzutreiben.

Heaven 17 haben die Zeit genutzt. Mit dieser LP haben sie sich eindeutig wieder an die Spitze gesetzt, denn sie haben viel altes Liebgewonnenes über Bord geworfen und es durch neue, aufregendere Dinge ersetzt. Allen 9 Songs der LP ist eine größere Sensibiliät anzumerken, mehr Neigung zum Schildern des Gefühls, der kleinen Denkpausen, als zum Darstellen der brausenden Wildheit eines stressigen Lebens in Chic und Stil. Glenn Gregorys Stimme ist mehr in den Vordergrund gerückt worden, man hat hat noch mehr Wert auf volle runde Background-Vocals gelegt. Die Rhythmen sind schlicht, dichte Streicher- und Bläsersätze unterstreichen das Balladenhafte, das Ruhige.

Heaven 17's Musik ist stiller geworden, damit noch reizvoller, noch stilvoller/prägender, weil mehr Platz für das Detail ist.

'Crushed by the wheels of industry' knüpft zwar an die 'Penthouse'-Produktionen an, vor allem, was Spritzigkeit, Witz und Charme der Synthesizer-Parts betrifft, ebenso wie 'We'll stop the rain' und 'Let me go', doch bei 'Key to the world' gibt es die ersten Überraschungen: Orchestrale Bläser Tracks, im Hintergrund bleibende Synthi und Rhythm-Machines schaffen imposante Klangbilder, die einer Hollywood Big-Band Instrumentierung der 60er ziemlich nahe kommen. 'Temptation': Leichte Mowtown-Anklänge (verblüffende Ähnlichkeit mit 'Mirror Man'), gemischt mit der Einfachheit und Buntheit der frühen Human League Werke. Sie zitieren und spielen mit Melodien und Ideen, hintergründig beim ersten Anhören kaum wahrnehmbar, und drücken den jeweiligen Resultaten den ihren eigenen Stempel auf. 'Come live with me'; Eine ''elektronische Liebesballade'' mit melancholischem Piano-Einsatz. Die Gedanken, die Bilder und Assoziationen verdichten sich zusehends. 'Lade Ice and Mr. Hex', die perfekte musikalische Begleitung, wenn man sich mit seinem Auto mitten in der New Yorker Rush-Hour befindet, und die Gedanken der unwissenden heimlichen Liebe gehören.

'The best kept secret' bildet den Schluß, den emotionalen Höhepunkt der Platte. Ein Netz von sich umwindenden Synthi-Linien und teils elektronisch verzerrten Streicherarrangements, die das Thema von 'Let me go' aufgreifen, kommt ohne rhythmische Ergänzungen aus. Gregory singt müde, als habe er das Gefühl, es höre ihm niemand zu.

Gib Acht, es beschwört das Selbstmitleid in Dir, wenn Du nachts wieder einmal allein die Diskothek verläßt, der dichte Regen Dir ins Gesicht peitscht und Deine Tränen versteckt...