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Yuppies waren wir nie

Drei glattgebügelte, geschniegelte anzugtragende Männer Anfang 40 betreten eine Hotelsuite. Geschäftsleute? Zuhälter? Nein, es sind Martyn Ware, Ian Craig Marsh und Glenn Gregory, ihres Zeichens Heaven 17.

Heaven 17 stammen aus England, feierten Anfang der vergangenen Dekade ihre größten Erfolge (Temptation, We don't need this fascist groove thang), waren dann seit 1988 völlig von der Bildfläche verschwunden und tauchen nun acht Jahre später mit dem neuen Album Bigger Than America wieder auf. Klingen tun sie übrigens, als wären sie nie weg gewesen.

Yuppie-Pop schimpften sie Kritiker seinerzeit. Ein Attribut, daß aufgrund des Äußeren einer gewissen Grundlage nicht zu entbehren scheint. "Diese Yuppie-Sache hat uns nie gekümmert, wir liefen schon bei unserem ersten Album "Penthouse And Pavement" in Zweireihern rum. Die Yuppies haben sich bei uns angebiedert, nicht umgekehrt, stellt Marsh fest. Insgeheim haben wir uns immer lustig gemacht über diese möchtegern-coolen Typen." Die Yuppies sind bekanntermaßen, ähnlich wie die Dinos Jahrmillionen vorher, ausgestorben. Heaven 17 sind noch da. Also Relikte aus einer längst vergangenen Zeit? Ein bißchen vielleicht. "Egal, ob man uns mag oder nicht, so Martyn Ware, wir haben eine eigene Identität. Das fehlt mir in der heute angeblich so hippen Pop- und Dance-Musik, in der die Gesichter so fürchterlich austauschbar geworden sind. Wenn Du Dir "Top Of The Pops" anschaust, merkst Du kaum noch, wenn ein Act fertig ist und der nächste auf der Bühne steht." Bigger Than America umweht trotz aller gegenteiliger Beteuerungen ("Wir sind sicher, viele Kids mit diesem Album anzulocken") mehr als nur ein Hauch des Altmodischen. "Dated" sagt der Brite zu solcher Musik und kauft sie nicht. Auch deshalb haben Heaven 17, die ihren 80er Jahre-Synthesizer-Sound selbst als Hauptinspirationsquelle für Techno und Chicago House deklarieren, ihren neuen Plattenvertrag direkt in Deutschland unterschrieben – beim Label der beiden Snap-Macher Michael Münzing und Luca Anzelotti. "In Deutschland haben wir bessere Chancen, weil sich die Leute bei Euch noch die Zeit für ein ganzes Album nehmen, anstatt immer nur auf die Singles zu schielen". Abwarten. Wenn es mit dem Comeback nichts werden sollte, können Heaven 17 ja nochmal "Temptation" recyclen. Der größte Hit des Trios kam vor vier Jahren nochmal unter die ersten drei der UK-Charts.

Source: Unknown Music Magazine / Bigger Than America Release


Thanks to Volker Buettner for this text